Streuobstwiesen im lokalen Nahrungsnetzwerk

Meine Masterarbeit

Städtische Gebiete und ländliche Landschaften, in denen Lebensmittel produziert werden, sind in einem komplexen Netzwerk miteinander verwoben.
Dies ist jedoch nicht immer sichtbar, und in den Städten scheinen Lebensmittel leicht verfügbar und für jeden zugänglich zu sein.

Doch die Ausdehnung der städtischen Gebiete, der Industrie und der benötigten Infrastruktur bedroht zunehmend die produktiven Landschaften. Schon frühere städtebauliche Überlegungen beschäftigten sich mit der Verflechtung unterschiedlicher Landnutzungen und sozialer Ansprüche.
Die globalen Krisen der letzten Jahre haben gezeigt, wie sehr die städtische Ernährungssituation von globalen Netzwerken abhängig ist.

Die wachsende Zahl von Ernährungsräten und Slow-Food-Bewegungen machen darauf aufmerksam und versuchen, den Fokus auf das Regionale zu verlagern. Alte Anbauflächen, die heute gesellschaftlich als Kulturlandschaften bezeichnet werden, könnten dazu beitragen.

Essbare Kulturlandschaften, wie z. B. Streuobstwiesen, sind in das lokale Mosaik der Landschaftsnutzung eingebettet und in das lokale Nahrungsmittelnetz integriert.

Das Verständnis der Landschaft als prozesshaftes Konstrukt, das sich aus der Summe der Schichten bildet, eröffnet eine analytische Perspektive, um die Integration einer essbaren Kulturlandschaft in das lokale Netzwerk zu beleuchten.

In meiner Masterarbeit an der Universität Stuttgart im Bereich internationale nachhaltige Stadtentwicklung habe ich mir die „essbare Kulturlandschaft“ genauer angeschaut und analysiert, wie diese im Landkreis Ludwigsburg in das lokale Netzwerk eingebunden ist.

Das bedeutet ich habe durch einen Fragebogen und Gespräche mit Streuobstbewirtschaftenden und Experten auf der einen Seite die Praxis der Streuobstwiesen-Bewirtschaftung angeschaut (also wann wird was wie gemacht und warum) und zum anderen habe ich die politischen Rahmenbedingungen beleuchtet.

Die Daten gaben einen Einblick in das komplexe Spannungsfeld, das Streuobstwiesen umgibt, und die Wechselwirkungen zwischen politischen Rahmenbedingungen, wirtschaftlichen Möglichkeiten, Praktiken und den Werten, die wir den Streuobstwiesen beimessen.

Dargestellt wird der Weg von der Pflege der Streuobstwiesen über die Ernte der puren Produkte, die Verarbeitung bis hin zum Vertrieb der daraus gewonnenen Produkte.

Erste Ergebnisse aus der Fragebogenerhebung

Viele Streuobstwiesen sind seit Jahren in Familienbesitz, die Bewirtschafter sind mit ihnen aufgewachsen und fühlen sich nun verbunden und verpflichtet, den Anbau fortzusetzen.

Die Nahrungsmittelproduktion als solche spielt weder in den politischen Rahmenbedingungen noch als Motivationsfaktor für die Bewirtschafter eine große Rolle. Auch ist es der Mehrheit nicht wichtig Geld damit zu verdienen.

Förderprogramme unterstützen vor allem den Erhalt und die Pflege der artenreichen Streuobstwiesen, den biodiversen Lebensraum. Förderungen und Unterstützung für die Verarbeitung und den Verkauf der Produkte fehlen.

Das Diagramm zeigt, welche Akteure in welcher Bearbeitungsphase vor allem involviert sind.

Das Flowchart stellt dar, wie die sieben Haupternten weiterverarbeitet werden

Die Hauptmotivationen der Menschen sind: Ausgleich zu ihrem Alltag, Naturschutzgründe, Idealismus und Tradition.

Dabei stehen vor allem in jüngeren Altersgruppen der Ausgleich (Hobby) im Fokus, wobei die Älteren häufiger Tradition und Naturschutz als Motivation angeben.

Der Naturschutzaspekt der Streuobstwiesen wird in einem weiteren Zusammenhang hervorgehoben.
Die Funktion als “biodiverse Fläche und Lebensraum” wird zum Anlass genommen, Streuobstwiesen als Ausgleichsmaßnahmen für Bauvorhaben anzulegen, die die Gemeinden in Zukunft vor Herausforderungen stellen könnten.

Die Pflege und Erhaltung der Streuobstwiesen bedeuteten Anbauen und Ernten. Auch wenn es aufwendig ist, werden Lebensmittel produziert. Das erzeugte Produkt hat auf dem Markt keinen hohen Geldwert.
Andererseits tragen sie zur ganzjährigen Versorgung der Bewirtschafter bei und spielen eine wichtige Rolle bei der Fruchtsaftherstellung.

Die größten Herausforderungen für die Bewirtschafter sind der Pflege- und Zeitaufwand, sowie der Mangel an Geräten und Ressourcen.

Viele Schwierigkeiten sehen sie auch in der mangelnden Wertschätzung (soziokulturell, aber auch wirtschaftlich).
Bewirtschaftende wünschen sich mehr persönliche oder materielle Hilfe, anstatt von finanziellen Förderungen.
Zum Beispiel Unterstützung beim Mähen oder beim Einsammeln von Heu und Mähgut.

Auch die Vernetzung mit verschiedenen Akteuren und Nutzern von Nebenprodukten (wie Heu) wurde gewünscht.

Viel Potenzial sehen die Bewirtschaftenden in der Vermittlung von Wissen über das Kulturgut Streuobstwiese, die Vielfalt der Natur sowie die Vielfalt an Essbarem. Dabei setzen sie vor allem auf die Zusammenarbeit mit Kindergärten und Schulen, die durch aktives Lernen und die Einbindung dieser Gruppen vor Ort auch den Erhalt der Streuobstwiese unterstützen könnten.

Die Karte zeigt Baden-Württemberg eingeteilt in die Naturräume. Der rot markierte Bereich ist das Untersuchungsgebiet, der Landkreis Ludwigsburg. Die überlagerten Bereiche zeigt die Dichte an Streuobstbäumen (weiß-dunkel); GIS Daten.

Streuobstwiesen als Beispiel für essbare Kulturlandschaften sind verstreute, kleinstrukturierte Flächen, die in das Mosaik verschiedener Landschaftsnutzungen eingebunden sind. Dadurch sind sie ein Teil des sozialen Lebens und der täglichen Routine der Menschen vor Ort.

Die Pflegearbeiten finden nach dem normalen Arbeitstag oder an den Wochenenden statt, und kleinere, mit dem Obstanbau zusammenhängende Geschäfte werden als Nebenerwerb betrieben.

Das örtliche soziale Netz oder örtliche Einrichtungen können in die Arbeit einbezogen werden, andererseits kann die Arbeit mit Aktivitäten von Freunden kollidieren.

Aufgrund der Zugänglichkeit der Flächen können Streuobstwiesen zu Orten des Lernens und Lehrens werden, Vermarktungsorte (wie Mostbesen) werden zu lokalen Jahrestreffpunkten und bilden einen Ort der Kommunikation im Gemeinschaftsleben.

Streuobstwiesen sind also nicht nur Wiesen mit Obstbäumen.
Vielmehr beschreibt der Begriff eine Vielzahl von Arbeiten (Pflegen, Ernten, Erhalten, Verarbeiten, Verkaufen, Konsumieren) und öffnet Möglichkeiten für Zusammenarbeit und Austausch.

Aufgrund der Einbettung in den städtischen Kontext, seiner politischen Rahmenbedingungen und andererseits der großen Bedeutung der soziokulturellen Ebene (Werte und Praktiken) für die Motivation und Umsetzung der eigentlichen Arbeit wird deutlich, dass eine enge Zusammenarbeit zwischen Kommune und Bewirtschaftern notwendig ist.

Nach der Analyse habe ich eine Liste mit Vorschlägen zur stärkeren Einbindung von Streuobstwiesen und Streuobstprodukten in den lokalen Kreislauf erstellt.

Autorin: Anna-Kathrin Schneider
E-Mail:

Vielen Dank an Anna-Kathrin für ihren Gastbeitrag über ihre Masterarbeit und die in diesem Rahmen erstellte Umfrage.

Einige von euch haben 2023 sicherlich an der Umfrage teilgenommen und waren auf die Ergebnisse gespannt.

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